03. September 2018

(Capri)

Entzücken, – wir kommen. Auf dem Weg nach Capri erleben Katharina und Stefan richtiges Segeln. Mit Schräglage, mit den Geräuschen von Winschen, Rollen, Tuch und Tauen. Und mit herrlichen Blicken auf die Insel, der wir uns in schon rötlich werdendem Spätnachmittags-Licht nähern.
Und dann erleben wir den umgekehrten Castellamare-Effekt. Wir freunden uns ab.

Capri überfüllte Hafeneinfahrt

Unfassbar viel Verkehr in der Hafeneinfahrt. Protzige Edelyachten, kleine Ausflugsboote, große Schnellfähren veranstalten hier einen Betrieb, der arg dem Gedränge vor dem Kirmeslokus ähnelt. Und es geht so weiter. Die Mitarbeiter im Hafen, die uns wie üblich empfangen, sind arrogant. Kein freundliches „Salve!“. Nur irgendein knurriger Laut, den man mit viel phantasievoller Menschenfreundlichkeit als Begrüßungsfloskel deuten kann. Wenn es nicht doch einfach nur ein Rülpsen war. Man steht gelangweilt mit einer unserer Heckleinen am Steg und macht sie mit einem Palstek am nächstbesten Ring fest, damit man nicht umständlich die ganze Heckleine durch den Ring ziehen und uns das Leinenpaket zurückgeben muss. Wie es sich eigentlich gehört. Man drückt noch ein paar Anweisungen unter der Spiegelsonnenbrille weg – Hafenbüro, Papier, elektronischer Stromanschluss-Schlüssel, Toiletten – und schlurft grußlos weg. Trotzdem machen wir uns mit postkartiger Vorfreude gegen Abend auf einen ersten kleinen Gang aus dem Hafen. Mitten im entspannten Hafentreiben ein paar Schritte gehen mit einem leckeren Eis in der Hand. Anschließend mit Blick auf die obligatorischen roten und grünen Leuchtfeuer in der Hafeneinfahrt einen leckeren Aperitif nehmen und die Nachfreude über einen schönen Segeltag genießen.
Nix wird draus.
Die arroganten Ormeggiatori haben uns am äußersten Ende des Hafens geparkt. Wahrscheinlich, damit wir mit unserem lächerlich kleinen, obendrein auch noch von weitem als Charteryacht erkennbaren 10m-Segelboot den Anblick der frisch geputzten mindestens doppelt so langen und längeren Angeber-Dampfbügeleisen nicht stören. Endlich aus dem Hafen raus, müssen wir feststellen, dass es Eis gar nicht mehr, einen Aperitif nur noch mit ganz viel Glück geben wird. Die Liebste wird als Gipfel der Ungemütlichkeit mit einem frechen leichten Seitaufwärtsruck des Kopfes, begleitet von einem pfeifenden Zischlaut aus einer Bar gescheucht. Wie eine Schülerin, die sich auf verbotenem Gelände befindet. Ein paar Souvenirläden sind noch auf. In der Tür schlecht gelaunte Verkäufer*innen, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, dass sie vielleicht doch noch eine dieser lächerlichen Capri-Käppies verkaufen. Und ein klitzekleiner „Lebensmittel“-Laden, dessen Besitzer sich hinter der hohen Theke versteckt und von dort ungerührt weiter seine Lieblingsserie im Fernseher gegenüber guckt. Wir wagen es trotzdem, seinen Laden zu betreten. Eine Flasche Weißwein, zwei Flaschen Bier. Wenn wir schon in den Bars nichts mehr kriegen?! Selbst beim Bezahlen nimmt er den Blick nicht vom Fernseher. Ob er uns den Preis gesagt hat? Oder einfach nur stumm auf die Anzeige an der Kasse gedeutet hat? Ob er ein Ciao gemurmelt hat? Oder wenigstens mit dem Kopf genickt? Keine Ahnung. In die Erinnerung hineingefühlt: Nein.
Zu allem Überfluss hat sich die Liebste beim Anlegen auch noch eine Zerrung im Brustkorb geholt. Sie musste tief nach unten gebeugt über eine ins Fleisch einschneidende Reling eine halbherzig hingehaltene Mooring-Leine angeln und mit aller Kraft halten. Seitdem hat sie, – ja wie sagt man? Manche haben Ischias. Die Liebste hat Capri.
Die 4 Stunden-Chance, die das centro storico der Stadt Capri am nächsten Vormittag noch kriegt, nutzt es eigentlich auch nicht. Die Altstadt, zu der wir mit einer Zahnradbahn gelangen, an der schon am frühen Vormittag Unmengen von Tages-Tourist*innen warten, bringt uns hin. Ein großer Teil der Altstadt befindet sich in wirklich schönen, engen Gewölbegängen, die Schatten und gemütliche Geborgenheit spenden, … – würden, … – wenn man sich nicht auch hier gegenseitig auf die Füße treten würde. Wir wagen ab und zu eine kleine Flucht in einen Lebensmittelladen. Metzger. Gemüse und Früchte. Bäcker. Hier ist dann plötzlich Ruhe. Hier hört man Italienisch. Hier bieten mit Stolz Frauen und Männer die Produkte ihrer Arbeit an. Und erklären einem auf Italienisch den Weg zur Post. Denn wir brauchen noch Briefmarken. Für alte Postkarten. Nicht für welche aus Capri. Kurz: Hier war es mal sehr schön. Und wahrscheinlich ist es das auch noch. Z.B. Anfang November.
Amalfi setzt das fort: Atemberaubende Blicke vom Schiff aus. Eine wunderschöne Küste. Orte, die malerisch in die Talsenken gegossen sind, die bis zur Küste reichen. Und an die Hänge rundherum hochgetupft. Nur näher kommen darf man, scheint es, nicht. Ein schönes Stück Käse-Sahne, das am frühen Abend zu lange unbewacht auf der Terasse stand und nun von Ameisen übersät ist. Alle wollen was davon. Zurecht. Auch die, die sich sündig teure Megayachten leihen und von Heerscharen von Servicekräften fahren, putzen, polieren und auf Hochglanz halten lassen. Katharina recherchiert ein bisschen. Diese hier z.B. kostet 265 000,- €.
Pro Woche.

Amalfi-Küste edle Yacht

Stefan und ich gestehen einander, dass wir uns angesichts dieser blitzblanken Protzbolzen und der herrisch aus ihnen herausglotzenden Allesmeinstypen aggressive Gefühle bekommen. Die bei näherem Hinsehen die üble Phantasie erzählen, man sei klein und unbedeutend. Wieder einmal bewahrheitet sich Stefans Leitspruch: Wer in den Vergleich geht, geht ins Leid.