III Eindrücke erwecken

Die hungrige Meute aus dem Mediendschungel kauert unten auf den Sitzen. Die Objektiv-Scharfschützen sind in Stellung gebracht. Die da gleich oben die Bühne besteigen werden, – sind sie die Beute, von der sich die Meute ernährt? Oder die Raubtiere, die die Meute jagen? Oder beides?

Der Vorhang geht auf. Das absurde Theater beginnt. Anmoderiert von einer Stimme, die man sich auch aus den Lautsprechern an der Raupe auf der Kirmes vorstellen kann.

(Screen-Video, Ausschnitt Youtube: Live-Stream der Pressekonferenz am 11.12.2023, Download 15.12.2023, 18:01)

Der Generalsekretär der CDU – Carsten Linnemann – tritt ans Mikrophon. Er ist erkennbar angespannt. Er zippelt mehrfach an den Mikrophonen vor ihm herum. Die das aber nicht schert. Sie ändern ihre Haltung nicht. Er steigt von einem auf das andere Bein. Er schaut streng geradeaus und spricht. „Die CDU Deutschlands ist wieder regierungsfähig.“ (Als hätte jemals ein/e CDU-Politiker:in etwas anderes behauten können.) Und fährt fort: „Wir sind wieder (…Stutzen…)… regierungs- (…Stutzen…er scheut vielleicht die ihm aus dem Mund drängende Wiederholung, weiß aber auch nichts anderes …) -fähig, sollte es zu einer vorgeza- (…Stutzen ob des Versprechers, Mikrophon-Zippeln…)… vorgezogenen Bundestagswahl kommen, wären wir bereit.“

Er möchte Tatkraft und Entschlossenheit vermitteln. Aber es will ihm einfach nicht in die Worte fließen, in die Haltung. Man sieht einen Menschen, der beides nicht hat, aber den Eindruck erwecken möchte, er hätte.

Schwarz-Weiß-Fernsehen, das einfach nicht grellbunt schimmern will.

22 Monate habe die von ihm geleitete Kommission in 215 Sitzungen gearbeitet, in 11 Kommissionen 63 Papiere verfasst. Und dann präsentiert er zusammen mit Serap Güler und Mario Voigt den Entwurf eines neuen Grundsatzprogramms, den jede/r, die/der über einen längeren Zeitraum die CDU verfolgt hat, in 10 Minuten hätte herunterschreiben können: Zurück zur Atomkraft, Leistung muss sich wieder lohnen und Migration begrenzt werden, Leidkultur, Gendern verordnen verbieten, Erhöhen der Lebensarbeitszeit, mehr innere und äußere Sicherheit, Steuererleichterungen für Unternehmen, Verschieben der Gehaltsgrenze für den Spitzensteuersatz nach oben, Bürokratieabbau, solider Haushalt, usw.

Und schon am Anfang eine erste Pointe. Herr Linnemann führt aus: „Wir denken vom einzelnen Menschen aus, nie vom Kollektiv, nie von oben nach unten (…passende Handbewegung…)“, und einen Moment vorher: „Die Menschen sind verunsichert. Sie brauchen Orientierung und Halt und wir werden mit diesem Programm diese Orientierung geben.“ Wie das wohl geht … von unten nach oben nach unten … vom einzelnen Menschen aus … Orientierung und Halt geben?

Eine weitere Pointe dieser Veranstaltung: Die Medien, die auf der Pressekonferenz versammelt sind, haben den Wortlaut des Entwurfes bekommen. (O-Ton Herr Linnemann: „…es ist der erste Entwurf, […] der Ihnen vorliegt…“) Sie werden den News-Konsumenten in den folgenden Stunden Extrakte präsentieren. Eben jene Floskeln, die sie wie ich in 10 Minuten hätten zusammenschreiben können. Aber niemand wird das Original-Entwurfs-Dokument „durchstecken“. Ein frappierendes Verschweigen. In Zeiten, in denen Kabinengeflüster, Gesetzes-Entwürfe, Koalitions-Verhandlungs-Streitpunkte, – einfach eben alles durchgesteckt wird. Es gelingt mir nicht, in den Tagen danach, den gesamten Entwurf im Wortlaut im Netz zu finden. Meine Bitte an die Parteizentrale, mir den Entwurf zu schicken, wird abschlägig beschieden. Ich müsse verstehen, dass zu diesem Zeitpunkt … .

Da wird also ein Entwurf vorgelegt, der aber nicht vorgelegt wird. Beziehungsweise Journalisten vorgelegt, die ihn dann aber nicht vorlegen, – ja was? Dürfen? Können? Wie funktioniert das praktisch? Haben die alle was unterschrieben und fürchten jetzt Unterlassungs-Klagen der CDU? Sie wiederum knabbern an der Beute herum und geben ein bisschen was an die hinteren Reihen weiter. Wir dürfen diskutieren, aber nicht seriös im Wortlaut informiert sein.

Ganz ehrlich: Ich wäre auch angespannt gewesen, wenn ich so ein dürftiges Ergebnis der Meute hätte präsentieren müssen. Wenn ich – zusammengefasst – hätte sagen müssen  „Wir wollen zurück zu Helmut Kohl“. Und dabei den Eindruck von Aufbruch und Erneuerung hätte erwecken müssen.