Im Auge der Stille

Wieder einmal bin ich ein paar Tage im Auge der Stille, umgeben von Wiesen, kleinen Hainen, Moor-Entwässerungskanälen und weitläufig von einander entfernt kauernden Gehöften. In meiner Ferienwohnung ist ein sehr gut klingendes Klavier. Ein paar Schritte entfernt in einer Halle eine Sammlung von frisch aufgearbeiteten Flügeln. Wann immer ich will, kann ich auf ihnen spielen. Ein Paradies für Einsiedelei.

Mir ist schon lange dauerkalt. Aber ich will es nicht wahrhaben. Dabei weiß ich schon früh: Ins Bett gehen, mich unter zwei Decken schmiegen, zusätzlich eine Wolldecke um meine Eisfüße wickeln. Danach begehrt mein Körper. Doch mein Geist will weitermachen mit dem Tag. Erst um 21:30 finden Geist und Körper zusammen. Und tun genau das.

Schon bald breitet sich wohlige Wärme aus. Gedanken schweben und verschwinden wie Schaumkrönchen über ein sanft wogendes Sommer-Meer. Ich schlafe ein. Am frühen Morgen höre ich von weit her einen Hahn krähen. Und lächle. Er weiß noch, wie man ein Klischee erfüllt. Und schlafe wieder ein. Als ich wieder wach werde, sehe ich erstes Morgenlicht an den Rändern des Vorhangs vorbeischimmern. Und schlafe wieder ein.

Und werde wieder wach und ignoriere den Impuls auf die Uhr zu schauen. Schließlich öffne ich probeweise die Augen und bemerke, dass der Tag beginnen will. Bleibe liegen und tue, was ich mir schon lange vorgenommen habe: Meine morgendliche Meditation wieder aufzunehmen. Sie war verloren gegangen.

Ich bleibe auch danach noch ein bisschen liegen und tapse dann aus dem Bett. Den Impuls, jetzt auf die Uhr zu schauen, muss ich nicht ignorieren. Es gibt ihn gar nicht.

Ich drehe die Heizung auf und koche Kaffee, wohlwollend beobachtet von der Fühmorgensonne, die ins Zimmer flutet, als ich die Vorhänge öffne. Ich suche die Pantoffeln. Ach ja, sie sind noch am Bett. Beim Hineinschlüpfen fällt mein Blick auf die Uhr. Ich stutze. So spät schon?  Das kann nicht. Dafür ist das Sonnenlicht noch viel zu weich und mild orange. Ich schaue genauer hin. Der Sekundenzeiger bewegt sich nicht. Sie ist stehen geblieben. Gestern Abend um halb Elf.