Klimawandel

Die Zufahrtstraße zu dem neuen Baugebiet wirkt noch provisorisch. Und eng. Ich laufe meine Strecke. Links von mir Vorgärten einiger älterer Häuser. Rechts von mir ein Zaun, dahinter ein sandiger Brachlandstreifen. Dahinter einige neue Häuser. Wie hingewürfelt. Zusammen mit einigen wenigen Kränen. Paletten mit Klinkern. Mischmaschinen.
Ich höre hinter mir ein Auto. Hört sich ziemlich schnell an. Der wird mich ja wohl sehen?! Ich kann nicht weg vom Asphalt. Hoffentlich hat der noch Geduld genug zu warten, bis ich nach dem Zaun auf den Sandstreifen ausweichen kann. Hat er.
Ein rundbauchiger Opi kommt mir auf dem Sandstreifen entgegen. Seinen Bewegungen sieht man an, dass seine knirschenden Hüftknochen sich eigentlich verweigern. Aber er muss ja mit dem Hund. Eine lustige kleine weiße Promenadenmischung, die zwischen langen Zotteln ab und an zu mir rüber blinzelt.
Links kommt mir eine ältere Frau auf dem Fahrrad entgegen. Sie fährt ein bisschen zittrig und hält sich vorsichtshalber eher mittig auf der Zufahrtstraße.
Aus dem Baugebiet schießt ein Auto auf „unseren Weg“. Opi ist inzwischen stehengeblieben. Hat diesen liebevoll versonnenen Meditations-Blick von Hundebesitzern, die Ihren Schützlingen beim Kacken zuschauen und irgendwie auch nicht.
Das Auto drängelt sich schon dicht an die Radfahrerin.
Etwas ist komisch. Ich brauche einen Moment, bis ich den Grund weiß. Es ist ein Elektroauto, das da zwischen den Neubauten herausgeeilt kam. Man hört fast nichts. Nur ein leises, tiefes Surren und ein wenig Knirschen auf dem Rollsplit. Es wirkt, als wollte das Auto die Frau auf dem Fahrrad anschieben.
Ich sehe ein bisschen beunruhigt auf die Fahrerin. Sie ist piepjung. Und stocksauer auf „die Alte“, die ihr da die Durchfahrt verwehrt. Sie wirft beide Arme vom Lenkrad aus hoch und wedelt damit herum. Ihre zornig leuchtenden Augen und die Mundbewegungen stürmen: Sie schimpft wie ein Rohrspatz. Meine Augen zoomen sie heran. Ich reime mir ihre Mundbewegungen und kleine Tonreste, die durch die Scheiben dringen, zusammen: „Mein Gott …!!“
Die Frau auf Zitterkurs bekommt von all dem nichts mit. Die Strecke, die es zu bewältigen gilt, liegt vor ihr. Still und unbelebt. Ein unhörbares wütendes Drama hinter ihr.
Wo ist eigentlich Opi? Ich schaue mich um. Er steht noch immer da und beobachtet auch die Szene. Und schüttelt den Kopf. Und lacht.
„Keine Zeit mehr heute, die jungen Leute!“