Tag 47.1

Wirtschaftswunder

Unser Käseblättken heute Morgen: Das ganze Titelblatt eine einzige augenbetäubend schreiende Entgleisungs-Metapher:

Ein Schwarz-Weiß-Bild vom Kriegsende 08.05.1945. Verzweifelte, ratlose, müde Menschen dichtgedrängt. Vor allem Frauen. Sie schauen fragend in die Kamera, – der Zukunft entgegen. Wie wir heute wissen: Dem entgegen, was man gerne Wirtschaftswunder nennt. Von 0 auf X.


Darunter dicke Lettern: „NRW startet den Motor“.
Eine irrsinnige Kombination. Die herbeigesehnten „Lockerungen“ als Beginn des Weges heraus aus dem Krieg gegen das Virus.
Ich sehe sofort einen etwas irritierten „Gastarbeiter“ auf einem Foto in ein paar Wochen. Er begleitet den hunderttausendsten VW-Tiguan beim Weg vom Band. Brandneue Euro-7-Technik. Geht wie geschnitten Brot dank der Kaufprämie. Auf dem Foto steckt der Mann gerade ein überdimensionales vierblättriges Kleeblatt hinter den Scheibenwischer. Es war so abgesprochen für’s Foto. Das Foto wird eine Ikone werden. Wie das mit dem Italiener und dem VW-Käfer
Ich bin also Teil eines Motors. Er war in Reparatur. Aber jetzt darf er wieder laufen. Es ist ein Verbrennungsmotor. Er führt uns aus der Stunde 0. Ins Wirtschaftswunder zweipunktnull. Unsere Verunsicherung und Ratlosigkeit haben ein Ende.
Damit wir wissen, was uns antreibt, weiter unten die Kernbotschaften 2 und 3:

2. Die Bundesliga macht weiter. Die Vereine sind gerettet. Die in obszöne Größen gewucherten Gehälter, von denen die Granden im Schnitt sich 30 % abgezwackt haben (von was eigentlich? Vom Jahresgehalt, von Monatsgehältern der Zeit der Untätigkeit?) um dem Verein zu helfen, sind auch gerettet. Die kitschige Scheinspendabilität der Rasenpopstars und der bei Bedarf beschlipsten, sonst gerne sportlich lässigen Bosse zürnt mich noch heute so sehr, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, mein Fandasein zu beenden.

3. Auf der A 1 kann auf einer Brücke bei Hagen jetzt dreispurig gefahren werden. Freie Fahrt für freie Bürger, die auf der Strecke vor der Brücke mit ihrem nagelneuen Wirtschaftswunder 2.0-Tiguan mehrmals im Stau standen, aber auf diesem Stück jetzt Gas geben können. 2022 können sie das dann auf dem Rückweg in der anderen Richtung auch. Dann mit dem Euro-8-Tiguan, für dessen Kauf es dann allerdings leider keine Prämie mehr gibt. Nur noch für Elektroautos, die immer noch nicht so richtig „gehen“.