Sommer im Städtchen

Sommer im Städtchen. Menschen plappern eisselig umher.
Vor mir läuft ein Mann. Das blaue T-Shirt und die schicke Sommer-Chino zeigen schon hitzebedingte Trage-Dellen. Die heute Morgen liebevoll nach hinten gegelten Haare haben sich Schweiß in die Strähnen gezogen.
Um den Mann herum schwärmt hüpfig ein vielleicht 8 Jahre alter Junge. Er ist blass. Er hat sehr schmale Glieder. Die Turnschuhe wirken beinah auf comic-hafte Art zu groß für sein zierlichen Füße. Seine Sommersprossen haben heute den Namen verdient. Sie scheinen sich darüber zu freuen. Er scheint sich auch zu freuen. Vielleicht ist er stolz mit seinem Vater durchs Städtchen zu streifen. Vielleicht traut er sich sogar auf seiner Zuneigung zu tanzen. An der Ampel hole ich die beiden ein, kann nun bruchstückhaft hören, was sie sprechen. Grün. Wir starten. Der Vater fragt: „Und warum machen sie das?“ Der Junge plappert irgendwas. „Und warum machen sie das?“ Irgendein Plappern. „Und warum machen sie das?“ … „Und warum machen sie das?“ Der Vater wiederholt die Frage in absolut gleichem Wortlaut sicherlich zehnmal. „Und warum machen sie das?“ Nur im Tonfall ist ein ganz kleine Steigerung wahrzunehmen.
Die lustige Lieblichkeit der Szene kippt. Bedrohlichkeit schwappt herüber. Ich weiß nicht, was schließlich der Junge gesagt hat. Jedenfalls höre ich jetzt den Vater im Erklärmodus. Irgendetwas über Bienen. Der Junge schweigt ein verschüchtertes Schweigen. Dann scheint der Vater fertig zu sein. Der Junge fängt langsam sein hüpfiges Schwirren wieder an. Er scheint Spaß daran zu haben, mit nach innen gedrehten Füßen zu gehen. Die unbeholfene Wabbeligkeit des Ganges macht ihn lachen. Der Vater sagt irgendetwas. Wird energischer. Dann schimpft er zischend. „Jetzt hör doch mal auf mit dem Herumgealber. Ich erklär Dir gerade was.“ Bei „erklär“ hebt sich die Stimme bedrohlich beleidigt. Sie bleiben stehen. Der Vater doziert irgendwas über seine Füße. Er dreht sie dem Jungen nach innen und nach außen, zeigt wiederholt darauf. Dann ist er fertig. Die beiden gehen weiter. Der Vater vorweg. Der Junge hinterher. Sein Kopf leicht gesenkt. Seine Haut eine Spur blasser. Oder liegt das am Schatten? Er schweigt. Aber er geht korrekt.