Ein Zeichen

Langsam kenne ich mich aus auf meiner Fahrradstrecke zur Arbeit: Wo sind die unangenehmen Längsbuckel, die Wurzeln von unten in den Asphalt gedrückt haben und die den Inhalt meiner Fahrradtaschen geräuschvoll durcheinanderkegeln, wenn ich  mit unverminderter Geschwindigkeit mittig über sie hinwegzottel. Wo sind die Engstellen, an denen mir besser kein anderer Radler entgegenkommt. Der alte Herr, dem ich regelmäßig in einem kleinen lichten Wäldchen begegne. Er schiebt seinen Rollator leicht gebeugt und doch noch entschlossen hinter seinem alten Collie her. Manchmal im Sommer, wenn ich etwas später fuhr, sah ich ihn auch auf einer Bank sitzen und seinem Hund das Fell bürsten.

An einer Stelle mit einer sehr langen Geraden kann ich schon von Weitem die Fußgängerampel sehen, die ich dann überqueren werde.

Sie steht auf Rot, als ich sie zuerst sehe. Während der Fahrt auf sie zu wechselt sie auf Grün. Kurz danach wieder auf Rot. Mein Gefühl sagt mir, dass sie genau in dem Moment, wo ich sie erreiche, wieder auf Grün springen müsste. Ich bräuchte nicht anhalten.
Schon bin ich ganz nah dran. Noch ist sie nicht umgesprungen. Ich verlangsame. So sehr, dass das Lenken schon leicht zittrig wird. Komm schon! Schalt um. Du bist doch kurz davor! Nur noch ein kleines Stück. Von Rollen kann eigentlich kaum noch die Rede sein.
Ich schicke sogar ein kleines Gebet zum lieben Gott. Komm, lass sie umspringen. Na?! Jetzt sei doch mal nicht so!!

Unmittelbar vor dem Ampelmast muss ich mich notgedrungen damit abfinden, dass sie nicht umgesprungen ist.  Ich versuche, die rechte Hand an den Mast zu klemmen, damit ich nicht abspringen muss. Das Langsam-Fahr-Lenk-Gewackel macht mich aber so unsicher, dass ich den Mast verfehle. Ich muss tatsächlich vom Sattel rutschen und die Füße von den Pedalen nehmen.
In dem Moment, wo ich endlich stabil stehe und mich auf Warten umprogrammiert habe, springt die Ampel um.

Wenn das kein Zeichen ist!