Die Kunst, das Museum, die Straße, die Kacheln

Der Weg zum Museu de Arte Contemporânea im Jardim de Serralves ist weit. Ein ganzes Stück mit der U-Bahn. Dann noch einmal ein viel längeres Stück mit dem Bus. Unsere Gedanken streifen zurück zu denen von gestern Abend. Sie rankten sich um die Frage, was für eine ernsthafte Veränderung von Schule nötig wäre. Wir diskutieren darüber immer noch genauso lebhaft wie früher. Einmal auf unserem Balkon so intensiv, dass die Liebste schon Angst hatte, die Menschen auf der Terrasse unter uns könnten uns für Streitende halten. Ist es gut, dass uns das Thema noch immer so aufheizt? Oder ist es ein bisschen absurd? Wo es doch Schnee von gestern ist. Wo aus unserem Denken keine Taten mehr folgen müssen.
Es ist ein Zufall, der keiner sein will: Im Museumscafè am Nachbartisch sitzt ein Lehrer. Er korrigiert eine Arbeit. Mit einem Rotstift streicht er in zwei Doppelseiten, die aneinandergeheftet sind, herum. Blättert. Ist fertig. Legt auf den Stapel. Die Blätter sind mehrfarbig bedruckt. Teurer Spaß. Ob das hier normal ist? Ob wohl auf der ganzen Welt Lehrer am Rotstift erkennbar sind? Oder an diesem gepflegten unscheinbaren Nicht-Schick? Oder daran, dass sie, selbst wenn sie nett wirken, ein Schimmer von Freudlosigkeit umgibt? Oder ist Letzteres nur ein Produkt meiner Misanthropie?
Er hat es eilig. Ob seine Schüler*innen hier irgendwo gerade anders beschäftigt sind und er die Zeit nutzen muss, damit er dann frei hat? Unsere Schuldebatte aus dem Bus ist Fleisch geworden und sitzt neben uns.
Am Eingang zum Park steht ein monumentales Kunstwerk von Joana Vasconcelos. In die Lauschigkeit der Parklandschaft hineingeprotzt.

Kunstwerk Überdimensionaler Ring

Es überspült uns mit Assoziationen und Gedanken. Ein Ring. Ein Schmuckstück. Goldfelgen teurer Autos. Schönheit des Konsums. Ribery und das vergoldete Steak. Ist das jetzt eine schöne Ergänzung des Parks? Oder stört es die Idylle? Macht es sie vielleicht sogar kaputt? Vielleicht sogar gewollt? Oder gerade nicht? Will es irgendwo zwischen all dem entlang schliddern? Man wünschte sich dieses Kunstwerk dorthin, wo es viel mehr Menschen sehen können. Und nicht nur die, die diesen musealen Kontext suchen. Dafür Eintritt bezahlen. Mit nachdenklichen Mienen zwischen den Exponaten lustwandeln im Hochgefühl informierter Gebildetheit, garniert mit einem Schuss eleganter Gesellschaftskritik.
Und danach noch ein Tee in einem der schönsten Parkcafes, die wir je erlebt haben.

Porto Teehaus im Jardim de Serralves

Dagegen an einer ganz anderen Stelle in der Stadt, hinterm Bahnhof, in der buchstäblichen Schmuddelzone: Auch ein monumentales Kunstwerk. Auf einer Hauswand. Ein Künstler aus Lissabon hat Portuenser und Auswärtige eingeladen zu fantasieren, was Porto ist. Weltbilder von der Größe einer Kachel. Schwarzweiß. Vielfalt, die von Ideen gebunden wird. Auch von gegensätzlichen. Wie all die Blicke, die sich auf einer Hauswand sammeln. Auf dieser. Wie auf jeder anderen. Wir sind berührt. Wir werden still. Man wünschte diesem Kunstwerk mehr Aufmerksamkeit. Sollte es sich nicht stolz in einem Museum präsentieren? Oder einem Museumspark? Wo man nicht den Hals verrenken muss, um es in Ruhe zu betrachten? Wo keine Hunde dranpinkeln. Keine müden Gestalten, an ein Geländer gelehnt, es ignorieren?

Porto Kunst-Kacheln auf Hauswand

Überhaupt. Kacheln in Porto.

Porto Bahnhof KachelnPorto Kirche mit Kachelfassade

 

Porto Kacheln auf Findling

Kacheln. Zum Glück nicht im übertragenen Sinn. Sonst wäre es gefährlich geworden.

Porto Straßenbahn mit Kacheln

Der folgende Anschiss von der Liebsten hat es in sich. Wenn da die Passanten denken würden „Oh, ein Streit.“, hätten sie Recht. Wobei, – … ein Streit ist es ja nicht. Ich wehre mich nicht. Die Liebste hat ja Recht. Wie fast immer.