Tag 11 [20.07.]

Ein zweites Mal zürnt die wirkliche Welt hinein in das netzlose Leben.
Erst vor 3 Tagen der Putsch-Versuch in der Türkei, der so lächerlich anmutet, dass die Reaktionen der erdoğanesk Herrschenden darauf schmerzhaft dreist und wie von langer Hand geplant wirken.
Dann dies: Ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan verletzt 5 Menschen in einem Regionalexpress in Würzburg mit einer Axt und einem Messer sehr schwer, vielleicht tödlich.
Renate Künast twittert:

Tragisch und wir hoffen für die Verletzten. Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden???? Fragen!

Wie ich manchmal Twittern hasse. Wie ich diese zwanghafte ins Netz hinein geschissene 140-Zeichen-Aktualitäts-Notdurft hasse, – ja hasse. Wie ich es hasse, mich, wenn ich mich informieren möchte, mit diesem Blödsinn befassen zu müssen. Und sei es dadurch, dass ich ihn mühsam herausfiltern und ausblenden muss. Denn aufgeregt habe ich mich im Zweifel ja schon. Z.B. darüber, dass Frau Künast eben diese Aktualitäts-Notdurft verrichtet und die kritische Frage stellt, ob es denn nötig war, den Attentäter zu töten. Die Frage wie bei einer pubertierenden 15-jährigen begleitet von 5 Fragezeichen.
Ob sie die Beileidsbekundung, die auch in ihrem Tweet steht, hinterher noch eingefügt hat, weil sie dann doch irgendwie ahnte, dass die kritische Frage dem heillos in die Welt hineinschreienden Leid – ja: Auch des Täters! – das Gegenteil von gerecht wird? Oder hat sie die Beileidsbekundung schnell in die Tasten gezwippelt, um sie quasi hinter sich zu bringen („Du, tut mir total leid, aber …“). Um dann zum Eigentlichen zu kommen.
Diese Art von Aas-Fresserei ist für mich wie, – ja, Du, tut mir leid, aber es ist wie ein zweites Verletzen. Ihre Botschaft übersetzt: Ich bin so verbohrt in die Rolle, die ich für mich vorgesehen habe, dass ich das Blut, den unendlichen Schrecken, die Not, all dieses Unsagbare, das ein Handeln, welches auch immer, so unendlich schwer macht, dass es sogar falsch sein kann, mal eben wegdrücke wie ein lästiges Telefongespräch und die eigenen faden Interessen in den Vordergrund schiebe. Diese Art von Aas-Fressen widert mich an.
Dass ein gegelter Jungspross in der CSU oder der runderneugalterten FDP so agiert, marionettenhaft eingesponnen in das Netz der Rede-Notwendigkeiten zur Selbstdarstellung der Partei, o.k.,  aber eine Vertreterin der Grünen, … obwohl … ja, ja, ich weiß schon … naiv.

Wie schön es doch wäre, wenn Politiker und Journalisten, wenn sie nun unbedingt sich äußern müssten, es schafften, regelmäßig ein bescheidenes „Ich weiß es nicht“ in die Welt zu senden oder ein „Ich möchte dazu keine Meinung haben müssen, denn mein Bild ist noch viel zu unvollständig.“
Oder noch besser: Öfter mal einfach ganz die Klappe halten.