Tag 5 [14.07.]

Kindsköpfe 1

Nach fest kommt ab.
Nach Entschleunigung kommt Langeweile.
Nach Langeweile schlechte Laune.
Oder Blödsinn.
Ene mene miste.
Die Liebste entdeckt in einer unscheinbaren Holzkiste ein schickes Boule-Spiel. Edle, silberne, schwere Kugeln. Sie schlägt ein Spielchen vor.
Ich sofort im Wettkampfmodus. Gemischt mit Ingenieurmodus. Gemischt mit Post-Entschleunigungs-Langeweile Mäkelmodus. Wo bitte soll man hier in diesem toskanischen Berghütten-Ambiente vernünftig (Ja! Vernünftig!) Boule spielen können? Auf ihre unnachahmliche Art (in etwa dieselbe, mit der sich mich dazu gebracht hat, der neuen Küche zuzustimmen) überredet sie mich zu einer Begehung des Geländes. Langsam kriege ich Spaß an dem Gedanken. Die Wahl fällt auf die einzige halbwegs ebene Fläche. Kluge Entscheidung. Wenn so eine Boule-Kugel erst mal mit Schwung den Weg ins Tal angetreten hat …
Das Gelände ist die Miniatur-Ausgabe einer Bergwiese. Natürlich nicht so eine wunderbar glatte Milka-Wiese. Nein. Buckelig, steinig. Ein Gemisch aus vertrockneten Graskrumen, Geröll und frischen Grasbüscheln. Ideale Boule-Bahn. Relativ gesehen. Schon fliegt die kleine Holzkugel (die Liebste klärt mich auf: Französisch. Cochonnet.) ins Spielfeld. Und verschwindet in einem kleinen Erdloch. Lachflash. Hingehen. Stelle merken. Boule-Kugel hinterher. Sieht gut aus. Wow – sieht sehr gut aus. Könnte direkt ein erster Königswurf sein. Aber dann ein Buckel. Die Kugel vollführt einen absurden Bocksprung und hüpft im rechten Winkel vom rechten Weg ab. Lachflash. Als alle Kugeln geworfen sind, tänzelt die Liebste kokett mit dem sehr professionell anmutenden Abstands-Mess-Bändchen hinterher. Gut, so ausgerüstet zu sein, wenngleich in diesem Fall nicht zwingend notwendig. Die zweitnächste Kugel liegt ungefähr zwei Meter weg, die nächste ungefähr einen. Leider nicht meine.
Spiel um Spiel. Lachflash um Lachflash.
Schon neigt sich die Dämmerung über den Hügel. Wieder fliegt die kleine Holzkugel. Genau in dem Moment, als sie die Hand der Liebsten verlässt, frage ich sie irgendwas Belangloses. Ganz die Liebste wendet sie sich natürlich mir zu. Zwei belanglose Sätze später wollen wir weiterspielen. Du bist dran, sage ich. Hab schon, sagt sie. Ratlos schauen wir der möglichen Flugbahn des Cochonnet hinterher, malen sie in Gedanken in die Luft. Womöglich in der Hoffnung, am Ende der Flugplan das spurlos verschwundene Kügelchen zu sehen.
Die ersten zehn Minuten suchen wir einfach so. Da, wo sie ungefähr gelandet sein müsste. Sie ist perfekt getarnt. Sie hat ziemlich genau die Farbe der vertrockneten Grasbüschel. Die Dämmerung neigt sich tiefer. Wir müssen aufrüsten. Schleppen an: Eine Stirnlampe, eine fette Taschenlampe, Modell NYPD, eine Harke, einen Rechen. Und machen uns an die Arbeit. Erstmal mit Rechen und Harke. Dann ohne Harke. Als ich mit der Taschenlampe, noch gar nicht an, ins Gelände komme, liegt das Kügelchen einfach da. Weithin sichtbar. Lachflash. Ein Glück, jetzt können wir noch den Matchball austragen. Steht unentschieden. Denke ich. Sicherheitshalber markieren wir die kleine Holzkugel mit einer der vielen kleinen Solarleuchten, die man einfach in den Boden stecken kann. Aber nur den Stab, sagt sie, nicht die Leuchte. Die zerdepper ich garantiert. Lachflash.
Vier Kugeln kullern lustig einen kleinen Hang am Spielfeld-Rand runter. Vierfacher Lachflash. Zwei Kugeln schaffen es. Die Siegerkugel liegt ungefähr zweieinhalb Meter weg. Super-Wurf. Es ist meine. Gewonnen.
Wieso gewonnen? sagt sie und spitzt schnippisch die Schnute. Eigentlich ja nicht. Das Spiel, bei dem die beiden Siegerkugeln in nur 1cm Abstand lagen, hatten wir gesagt, ja stimmt, hatten wir gesagt, wollten wir doppelt zählen. Es waren die Kugeln der Liebsten. Widerspenstig räum ich ein: O.k. unentschieden.
Aber dann machen wir morgen ein Entscheidungsspiel. Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier.