03. Oktober 2018

(Milazzo – Lipari)

Wir gehen es wie immer an. Studium der Wetterberichte. Sie sagen Ähnliches voraus. Wind aus östlicher Richtung zwischen 3 und 5 Bf. Die WarnApp warnt vor Gewittern über Sizilien. Eine andere App sieht eine leicht erhöhte Gewitterwarnung ab 16:00. Gewitter über Sizilien sehen wir nicht als übermäßig bedeutsam an. Schließlich fahren wir ja von Sizilien weg.
Wir sind lange genug in Milazzo. Außerdem sagen die Wetterberichte Winde aus O voraus. Das bedeutet, dass diese Schwimmstege, die nach Osten offen sind, ungemütlich werden.
Wir brechen früh auf. Von Wind keine Spur. Also tuckern wir per Motor auf das Capo Milazzo zu. Dort wollen wir Kurs auf Lipari nehmen. Einen Hafenplatz haben wir dort schon reserviert. Zwei, drei Seemeilen nach dem Capo Milazzo kommt dann doch zögerlich Wind auf. Wir haben uns gerade ein paar Schnitten gemacht zum Frühstück. Wir wollen die eben noch aufessen und dann Segel setzen.
Daraus wird nichts. Innerhalb von Minuten peitscht der Wind hoch. Die Wellen nehmen bedrohliche Höhen an.
Heute ist es Ulrike, die sich erschrickt und mit Besorgnis kämpft. Ich bin dank unseres Gespräches über Angst und magisches Denken ruhig. Wir werden das schaffen. Segel setzen wir nicht. Eine(r) von uns müsste dafür nach vorne zum Mast. Ulrike müsste entweder das machen oder das Schiff am Ruder im Wind halten, damit wir Segel setzen und ein Reff einbinden können.
Beides will ich ihr im Moment nicht zumuten.
Jede zweite Welle kommt über. Es ist wahrlich ungemütlich und beängstigend. Der Himmel so verdunkelt, dass man das Gefühl von Dämmerung hat.
Meile für Meile kämpfen wir uns vor. Das Schiff stampft unter Protest in die Wellentäler und ächzt wieder hoch.
Das hier ist der endgültige Abschied von friedlichem Sommer-Segel-Wetter. Wir haben die ganze Schwerwetter-Montur an. Sind sogar im Cockpit angeschnallt. Die Zeit will nicht vergehen. Vulcano, die Insel vor Lipari kommt erst nicht näher und zieht dann nur quälend langsam vorbei.
Irgendwann haben wir es dann doch geschafft.
Der Hafen von Lipari liegt einigermaßen windgeschützt und hinter einem großen Wellenbrecher. Wir müssen nicht mit allzu dramatischen Bedingungen beim Anlegen rechnen. Ulrike hat per Funk um „Unterstützung am Steg“ gebeten. Die bekommen wir mehr als genug. Wir werden vom Ormeggiatore in eine Lücke zwischen zwei deutlich größeren Yachten dirigiert. Dort stehen 10-15 Leute an den Relings und nehmen uns in Empfang.
Erleichtert puhlen wir uns aus den Regenklamotten. Erholen uns ein bisschen und tigern Richtung Stadt.
Adrenalin abbauen.
Am Horizont baut sich schon wieder die nächste Front auf. Wir hoffen, dass wir vor ihr in der Stadt und in einer gemütlichen Bar sind. Diese Hoffnung zerschellt schon nach kurzem Weg unter den ersten platschenden Tropfen. Wir wollen uns gerade in einen von Bäumen und Sträuchern wenigstens ansatzweise „überdachten“ Weg drücken, da hält neben uns ein Auto. Die beiden Männer winken uns hinein. Sie fahren uns in den Ort. An einer Kreuzung direkt am Wasser huschen wir über die Straße und springen in eine Bar. Man schickt uns in die erste Etage. Hier sitzen wir. Sind froh, dass wir heil in Lipari angekommen sind. Freuen uns über die Hilfsbereitschaft der beiden Männer. Zweifeln, ob wir das so in Deutschland auch hätten erleben können und schauen uns mit einigem Gruseln das stürmische Toben da draußen an.