zwischen Zehnvorvier und Viertelnachfünf

Heute im Morgengrauen verlasse ich die Apotheke.
Gestern am späten Nachmittag betrat ich sie. Die Apotheke meines Vertrauens. Ich glaube eigentlich nicht, dass man einer Apotheke vertrauen kann. Aber ich nenne sie so. Es macht so ein Gefühl von zuhause sein.
Wie kann ich helfen, fragt der freundliche Mann.
Ich hätte gern ein rezeptfreies Zäpfchen gegen Zonen zerebraler Zersetzung.
Wieso keine Tropfen?, fragt er, die wären doch näher dran.
Da bin ich gar nicht so sicher, sage ich. Außerdem mag ich es irgendwie, wenn sich die muskulären Wellen des Umschließens eines Fremdkörpers im Unterbauch ausbreiten.
Ja, das verstehe ich, sagt er.
Und ich mag die Alliteration, sage ich.
Ja, da haben sie Recht, sagt er.
Ich weiß gar nicht, womit ich Recht habe, aber es ist trotzdem ein schönes Gefühl, gesagt zu bekommen, dass ich Recht habe.
Und ich hätte gerne etwas gegen Sinnestrübnis. Am liebsten eine Tinktur.
Meinen Sie Sinnes im Sinne von Wahrnehmen wie hören oder fühlen. Oder eher Sinnes im Sinne von Sinn, so wie man sagt `in etwas einen Sinn sehen´.
Beides, sage ich.
Und etwas gegen farblose Gemütsverfärbung.
Also eigentlich ‚Gemütsverblassung‘?, fragt er und spricht weiter: Da kann ich ihnen eine Tinktur empfehlen. Die tragen sie auf die Brustwarzen auf. Sie können sich sofort danach wieder anziehen. Die Tinktur ist farblos, sie zieht schnell ein. Sie macht keine Flecken.
Und schließlich fragt der Apotheker noch: Kennen Sie den Grund für Ihre Verfassung?
Nein.
Bewegung hilft eigentlich immer, rät er, gerade wenn es um Sinn geht.
Hm … , brumme ich ratlos und frage mich, welches wohl die richtige Denkreihenfolge wäre. Erst der mangelnde Entschluss, dann der fehlende Sport? Oder erst der fehlende Sport und daraus resultierend die mangelnde Entschlusskraft.
Ich zögere offenbar zu lange. Der Apotheker rechnet zusammen und bittet um Zahlung.
Ich zahle mit Karte.
Der elektronische Beratungsassistent lässt Zäpfchen und Tinktur in den Ausgabeschacht poltern. Surrend schiebt sich die Quittung aus einem Schlitz.
Gute Besserung, höre ich die erstaunlich natürliche Stimme beim Weggehen.
Im Morgengrauen finde ich die Medikamente nicht. Vielleicht bräuchte ich noch was gegen Schwersichtigkeit bei Nachtende.
Die zerebrale Zersetzung ist eine Mücke. Ich will sie im Flug erwischen. Folge ihr mit beiden Händen in einer Schleife.
Klatsch!
Die Mücke entkommt.
Ich aber kriege die Hände nicht mehr auseinander.