toscana-urlaub-woche-1

Ankunft

Hart erkämpfte Ankunft. Es geht höher und höher. Die Straße wird enger und enger. Und schlechter und schlechter. Wir denken: „O.k., jetzt muss es ja gleich kommen. Das ist ja hier eigentlich schon keine Straße mehr.“ Dann: „O.k., jetzt muss es aber wirklich gleich kommen. Das ist ja eigentlich gar kein Auto-tauglicher Weg mehr.“ Kurz bevor wir erleben müssen, dass man hier mit einem normalen PKW eigentlich gar nicht hinkommt, taucht das Häuschen auf. Unschuldig lächelnd heißt es uns in the heart of the middle of nowhere willkommen. Die Frau, die uns hierher geführt hat und dann die Betten bezieht, fragt, als sie geht, ob wir genug zu lesen mithaben.
Den kleinen Skorpion, der unmittelbar vor ihrem Fuß entlanghuscht, will sie sofort zertreten. Ich kann sie gerade noch davon abhalten. „Die sind nicht giftig“, sagt sie. Na also. Ist doch eine gute Grundlage für friedliche Koexistenz.

Emoticon für: Tiefer Friede
(wahrscheinlich nach anfänglicher Verunsicherung)

Tag 1 [10.07.]

Ein Schläfchen am Nachmittag. Eines von 2 Stunden. Luxus. Am Ende ein Traum. Ich bin in einem großen Supermarkt an der Kasse und lade eine schier endlose Reihe von Dingen auf das Förderband. Als der Einkaufswagen endlich leer ist, beginnen auf dem Band auch schon die Sachen des Nächsten. Wieder eine schier endlose Reihe. Am Ende der Reihe hockt plötzlich eine Kollegin knielings auf dem Band. Sie lächelt dieses Lächeln. Eines, das irgendwie gar keins ist. Und doch da. Eines, das sich liebevoll über das Leben lustig macht, hart an der Grenze zur Ironie. Sie hockt da, fährt im gemächlichen Tempo der Päckchen und Flaschen auf mich zu und sagt: „Oh … nicht dass du mich jetzt für eine Ware hältst.“ Und lächelt. Oder auch nicht. Ich antworte: „Nee, geht ja nicht. Du bist ja nicht ausgezeichnet.“ Dann wache ich auf.

Tag 2 [11.07.]

Was vom Leben übrig blieb.

Treppe an Hauswand, die nirgendwo hinführt

Tag 3 [12.07.]

Buntes Insekt wie Schmetterling

Entschleunigung in Echtzeit.

So jung und schon so warm ist dieser Morgen. Ich trete hinaus auf die Terrasse. Tasse Kaffee in der einen, Sudoku in der anderen Hand. Das, was ich gestern abgebrochen hab, weil es mir zu zäh wurde. Sonne oder Schatten? Kurzer Test. Ein Schritt ins gleißende Hell, schon umfängt mich die Sonne mit glühender Leidenschaft. Ich lass sie mich durchströmen und zieh mich schnell in den Schatten zurück. Richte mich auf zwei Stühlen ein. Die Logistik der Bewegungsabläufe verlangt genaueste Planung. Wie muss ich sitzen, dass es bequem ist? Dass die Holzstreben des Gartenstuhls sich nicht zu hart in den Hintern quetschen. Dass ich ohne großen Bewegungsaufwand an den Kaffee komme. Dass das Handy-Display mit dem Sudoku gut lesbar ist. Ich finde eine Haltung und tauche ein. Wenn hier die 2 hinkommt, dann steht sie auch hier und hier und da ist für die 7 dann nur noch in dem Kästchen … und für die 5 nur noch in dem Kästchen …, nee Moment, wo stand nochmal die 2? Von vorne. Wenn hier die 2 steht…

Die Zeit schmilzt unter dem Tröpfeln der Zahlen-Gedanken. Viel Zeit.
Von ganz weit hinten im Hirn kriecht ein Gefühl heran, das ich erst registriere, als es durch den Zahlenvorhang tritt. In dem Moment weiß ich, dass es schon eine ganze Weile versucht hat, auf sich aufmerksam zu machen. Irgendwas stimmt nicht.
Unwillig wende ich mich vom Sudoku ab. Ziehe Bilanz. Ist es das Knie, das beim Erklimmen der Burganlage etwas zu sehr belastet wurde. Joahh … Ist es der Hintern, der sich jetzt doch gegen die Holzstreben wehrt? Joahh .. Ist es das immer noch zähe Sudoku? Hmmm … Ist es der Kaffee, der über das Grübeln vergessen und kalt wurde? Ist es? Na klar! Vor allem ist es: Mir ist kalt. Der Himmel ist blaublau, die Sonne singt eine lustvolle Hitze-Arie. Und mir ist kalt. Jetzt wird es schwierig. Ist mir so kalt, dass ich bereit wäre, die doch irgendwie einigermaßen gut eingerichtete Sitzposition einschneidend zu verändern? Man kennt das doch. Man verändert eine Kleinigkeit und schon ist alles anders. Unangenehm anders. Lieber so bleiben. Blöderweise lässt sich das mir-ist-kalt-Gefühl nicht mehr wegschieben. Es ist wie beim Pinkeln morgens. Ich werde aufstehen müssen. Aber was könnte ich tun? In die Sonne wechseln? Zu heiß. Anziehen? Och nöh, – zu viel Aufwand. Ich hab’s. Da lag doch irgendwo noch ein unbenutztes Bettlaken. Da könnte ich mich doch…
Plötzlich ploppt ein Insekt auf den Tisch. Wie geht das denn? Ist es krank? Wenn es fliegen kann, muss es doch auch sanft landen können. So ein Tier fliegt doch nicht, sieht irgendwo einen Ort, wo es hinwill, zum Beispiel diesen hier, stellt die Flügel ab und hofft dass es ungefähr da aufknallt, wo es hinwollte, und dass es den Sturz überlebt. Ist es womöglich tot? Ganz vorsichtig stupse ich es an. Sofort fängt es hektisch an zu zappeln. O.k. tot ist es nicht. Es sieht merkwürdig aus: Länglicher schwarzer Körper mit einem einzigen gelben Ringel-Streifen um den Body. Hinterm Insektenköpfchen zwei große, weiß gepunktete schwarze Flügel. Sie sind zu klein für einen Schmetterling und zu groß für kein Schmetterling. Bekanntlich können sich die meisten Insekten ja im Laufe der frühen Entwicklung entscheiden zwischen zwei Existenzen. Libellen z.B. können sich entscheiden: Werde ich Scampi oder werde ich einer dieser Teich-Hubschrauber? Dieses Insekt hier hatte sich anfangs entschieden, Biene werden zu wollen. Als der erste gelbe Ringel um den schwarzen Körper fertig war, sah es ein, dass gelb-schwarz total blöd aussieht, und geringelt auch, und da die Zeit der zwei Möglichkeiten noch nicht um war, entschied es sich noch schnell, Schmetterling zu werden. Aber natürlich war die Frist schon fast abgelaufen und deshalb wurden die Flügel etwas kleiner als normal. Immerhin reichte die Zeit noch, dass der bienenschwarze Body sich zu einem tiefdunklen Blau hin verfärbte. Die Natur hat es schon faustdick hinter den Ohren.
Was wollte ich nochmal? Ach ja … Betttuch holen.
Bleibt immer noch die Frage: Warum plöppt das Tier hier so unbeholfen auf den Tisch? Vielleicht ist es aus dem Bett gefallen. Hier oben im Baum. Wo schlafen Insekten eigentlich? Schlafen die überhaupt? Wahrscheinlich ja schon. Außer Nachtfalter und Glühwürmchen. Und Eintagsfliegen. Die wären ja schön blöd.
Zurück zur eigentlichen Frage. Wo schlafen die Insekten, die schlafen? Wahrscheinlich ja in kleinen Nestern in Bäumen. Aus denen sie dann morgens, wenn sie, total verpennt, wie sie sind, sich einmal falsch bewegen, auf irgendwelche Tische ploppen. Wie sie wohl ihren Schlafplatz finden? Ob es immer derselbe ist? Ob es einer ist, wo sie vor z.B. Eidechsen sicher sind. Aber das geht kaum. Schließlich kommen Eidechsen überall hin. Die können sogar kopfüber an der Decke krabbeln. Klar! Das Insekt baut sein Bett auf einem Blatt am Ende eines dünnen Ästchens. Viel zu dünn, als dass es eine Eidechse halten würde. Natürlich auch so dünn, dass man völlig verpennt schon mal aus dem Nest auf einen Tisch ploppt.
Das Frösteln ist jetzt nicht mehr ignorierbar. Ich stehe auf, um das Betttuch zu holen. Als ich stehe, beschließe ich, mich, bevor ich reingehe, wo es ja auch kühl ist, erstmal einen ganz kleinen Moment in der Sonne aufzuwärmen. Ich setze mich auf eine Stufe. Verbrenne mir fast den Hintern. Wohlige Wärme flutet meine Adern. Es weht ein ganz zartes Lüftchen. Ein Hauch. Kaum erkennbar wiegen sich im Baum vor und über mir einzelne Äste und Blätter. Aber eines zappelt wie verrückt. Wie geht das denn? Ein einzelnes Blatt von ca. 83500 zappelt wie verrückt. Die anderen nicht. Wahrscheinlich sind auf der anderen Seite des Blattes ungefähr 150 Blattläuse und spielen kollektiv Wippen. Ob Insekten spielen? Warum nicht, wenn sie schlafen und auf Tische fallen und gelb-schwarze Ringel blöd finden. Eine Stufe weiter liegt eine Eidechse. Ist liegen überhaupt das richtige Wort? Eigentlich steht sie ja. Nur eben auf allen Vieren. Der Platz gefällt ihr nicht. Sie tappst auf die andere Seite der Stufe. Merkwürdige Art sich zu bewegen. Die Muskeln werden selbst bei kleinsten Bewegungen nicht langsam fließend in Gang gebracht. Nein. Jede Bewegung ist eine kleine Voll-Pulle-Eruption. Selbst wenn der linke Fuß hinten nur ein kleines bisschen erst nach oben und dann nach vorne zuckt. Und dann steht der ganze Körper wieder völlig starr da. Kopf und Hals wie beim Posieren in zwei weichen rechten Winkeln nach oben gebogen. Dann vorne rechts am Fuß irgendeine pieksige Unebenheit. Kurzes Zucken. Fuß nach vorne. Starre. Kopf die ganze Zeit hoch. Das muss voll auf die Halsmuskeln gehen! Von rechts hinten kommt eine Ameise angehetzt. Die ist so vertieft in ihren eiligen Job, dass sie gar nicht merkt, in welcher Gefahr sie schwebt. Noch ist sie sicher. Sie ist am Schwanz der Eidechse. Der übrigens, wie ich jetzt sehe, gar nicht so gemustert ist wie der Rest des Tieres. Er trägt nur ein schmutziges Grau-Braun. Alles andere aber schimmert silbrig in blau-grün-gelben Tupfen. Wenn sich jetzt dieses Riesenmonster umdrehen würde, hätte die kleine Ameise noch satt Zeit zu fliehen. Aber die dumme Nuss hetzt weiter. Richtung Kopf. Der auch noch leicht in ihre Richtung gedreht ist. Kurz überlege ich, ob ich einfach in die Hände klatsche, die Eidechse verscheuche und der Ameise so das Leben rette. Andererseits: Wenn ich damit jetzt hier oben anfange, mitten im toskanischen Dschungel, dann kriege ich viel zu tun. Jetzt ist die Ameise in Zungenreichweite. Eine kurze Muskeleruption. Rausrein. Weg ist sie.
Aber nichts passiert. Die Eidechse bleibt starr, inklusive Zunge. Die Ameise hetzt weiter. Ob Eidechsen keine Ameisen mögen? Kaum vorstellbar. Es ist schließlich eine toskanische Ameise. Die muss lecker sein. Wie alles hier. Kann natürlich auch sein, dass wir sie irgendwie aus Norddeutschland eingeschleppt haben.
Irgendwas zwickt auf meinem Schädel. Ich fasse hin. Die ganze Kopfhaut brennt. Sollte ich etwa von den paar Minuten in der Sonne schon…? Ich muss sofort in den Schatten. Aber da war es doch zu kalt. Genau, – das Betttuch. Mit einiger Anstrengung überwinde ich die Trägheit und stapfe ins Haus. Wo war nochmal das Betttuch? Ich suche herum. Hier ist es ja noch kühler als draußen im Schatten. Richtig kalt ist es hier. Vor allem die Füße auf dem Steinboden. Vielleicht ziehe ich mich doch besser an. Bevor ich mich hier erkälte. Im Sommer. In der Toskana. Wo liegt denn nur dieses blöde Betttuch?
Die Liebste ist aufgewacht. Ich höre oben ihr barfüßiges Tapsen. Schon kommt sie mir auf der Treppe entgegen. Sie trägt genau die Art von Hemd und die Art von Unterhose, die ich so sexy finde. Wahrscheinlich, weil sie genau das so gar nicht sein sollen. Sie kleiden ja nur den Schlaf. Herrlich warm ist mir, als wir uns umarmen. „Du bist ja ganz kalt“, sagt sie, „warst du die ganze Zeit drinnen?“

Tag 4 [13.07.]

Vertreibung aus dem Paradies.

Plötzlich ein Eindringling. Metallisches Knall-Knattern weht zu uns herauf. Bartkarierter Leder-Lüstling dreht am Griff. Eine bestimmte Sorte von Motorrad ist das. Gefahren wird sie vorzugsweise von spießigen saturierten Wohlstands-Aposteln, die sich jetzt, wo sie sich so ein Gefährt leisten können, so weit von dem dazugehörigen Lebensgefühl entfernt haben, dass sie für eine kleine Resterinnerung daran so ein geräuschimperialistisches Ding und in den Pausen starke Zigaretten und Bier brauchen. So ein Geräusch also weht hier zu uns herauf. Hallo??!!
Sofort wird es energisch und keinen Widerspruch duldend von den Vögeln vertrieben, die ein kleines bisschen lauter zirpzwitschern, von der toskanischen (oder heißt es toskanesischen?) Scheißhausfliege, die noch ein kleines bisschen wutbrummiger ihr Stakkato gegen die Fensterscheibe hämmert. [Man weiß gar nicht, ob man sie besonders hübsch finden soll – schließlich sind sie toskanische Scheißhausfliegen und damit über jeden Hässlichkeitszweifel erhaben – oder hässlich. Dieses widerliche Neon-Grün der Augen kann nur ein Ekel-Statement gegen toskanische (oder heißt es toskanesische?) Lieblichkeit sein.].
All diese Töne schwellen kurz an.
Unterstützung noch von den Bäumen, die einen Moment in der milden Brise geräuschvoller rauschen. Sogar ein Raubvogel mischt sich ein. Selten zu hören und erst recht zu sehen. Deshalb besonders. Er muss einen triftigen Grund haben. Ein kurzer Einsatz dieser Töne reicht, und schon ist das dummdreiste Knattern vertrieben. Das traut sich so schnell nicht wieder her.

Tag 5 [14.07.]

Kindsköpfe 1

Nach fest kommt ab.
Nach Entschleunigung kommt Langeweile.
Nach Langeweile schlechte Laune.
Oder Blödsinn.
Ene mene miste.
Die Liebste entdeckt in einer unscheinbaren Holzkiste ein schickes Boule-Spiel. Edle, silberne, schwere Kugeln. Sie schlägt ein Spielchen vor.
Ich sofort im Wettkampfmodus. Gemischt mit Ingenieurmodus. Gemischt mit Post-Entschleunigungs-Langeweile Mäkelmodus. Wo bitte soll man hier in diesem toskanischen Berghütten-Ambiente vernünftig (Ja! Vernünftig!) Boule spielen können? Auf ihre unnachahmliche Art (in etwa dieselbe, mit der sich mich dazu gebracht hat, der neuen Küche zuzustimmen) überredet sie mich zu einer Begehung des Geländes. Langsam kriege ich Spaß an dem Gedanken. Die Wahl fällt auf die einzige halbwegs ebene Fläche. Kluge Entscheidung. Wenn so eine Boule-Kugel erst mal mit Schwung den Weg ins Tal angetreten hat …
Das Gelände ist die Miniatur-Ausgabe einer Bergwiese. Natürlich nicht so eine wunderbar glatte Milka-Wiese. Nein. Buckelig, steinig. Ein Gemisch aus vertrockneten Graskrumen, Geröll und frischen Grasbüscheln. Ideale Boule-Bahn. Relativ gesehen. Schon fliegt die kleine Holzkugel (die Liebste klärt mich auf: Französisch. Cochonnet.) ins Spielfeld. Und verschwindet in einem kleinen Erdloch. Lachflash. Hingehen. Stelle merken. Boule-Kugel hinterher. Sieht gut aus. Wow – sieht sehr gut aus. Könnte direkt ein erster Königswurf sein. Aber dann ein Buckel. Die Kugel vollführt einen absurden Bocksprung und hüpft im rechten Winkel vom rechten Weg ab. Lachflash. Als alle Kugeln geworfen sind, tänzelt die Liebste kokett mit dem sehr professionell anmutenden Abstands-Mess-Bändchen hinterher. Gut, so ausgerüstet zu sein, wenngleich in diesem Fall nicht zwingend notwendig. Die zweitnächste Kugel liegt ungefähr zwei Meter weg, die nächste ungefähr einen. Leider nicht meine.
Spiel um Spiel. Lachflash um Lachflash.
Schon neigt sich die Dämmerung über den Hügel. Wieder fliegt die kleine Holzkugel. Genau in dem Moment, als sie die Hand der Liebsten verlässt, frage ich sie irgendwas Belangloses. Ganz die Liebste wendet sie sich natürlich mir zu. Zwei belanglose Sätze später wollen wir weiterspielen. Du bist dran, sage ich. Hab schon, sagt sie. Ratlos schauen wir der möglichen Flugbahn des Cochonnet hinterher, malen sie in Gedanken in die Luft. Womöglich in der Hoffnung, am Ende der Flugplan das spurlos verschwundene Kügelchen zu sehen.
Die ersten zehn Minuten suchen wir einfach so. Da, wo sie ungefähr gelandet sein müsste. Sie ist perfekt getarnt. Sie hat ziemlich genau die Farbe der vertrockneten Grasbüschel. Die Dämmerung neigt sich tiefer. Wir müssen aufrüsten. Schleppen an: Eine Stirnlampe, eine fette Taschenlampe, Modell NYPD, eine Harke, einen Rechen. Und machen uns an die Arbeit. Erstmal mit Rechen und Harke. Dann ohne Harke. Als ich mit der Taschenlampe, noch gar nicht an, ins Gelände komme, liegt das Kügelchen einfach da. Weithin sichtbar. Lachflash. Ein Glück, jetzt können wir noch den Matchball austragen. Steht unentschieden. Denke ich. Sicherheitshalber markieren wir die kleine Holzkugel mit einer der vielen kleinen Solarleuchten, die man einfach in den Boden stecken kann. Aber nur den Stab, sagt sie, nicht die Leuchte. Die zerdepper ich garantiert. Lachflash.
Vier Kugeln kullern lustig einen kleinen Hang am Spielfeld-Rand runter. Vierfacher Lachflash. Zwei Kugeln schaffen es. Die Siegerkugel liegt ungefähr zweieinhalb Meter weg. Super-Wurf. Es ist meine. Gewonnen.
Wieso gewonnen? sagt sie und spitzt schnippisch die Schnute. Eigentlich ja nicht. Das Spiel, bei dem die beiden Siegerkugeln in nur 1cm Abstand lagen, hatten wir gesagt, ja stimmt, hatten wir gesagt, wollten wir doppelt zählen. Es waren die Kugeln der Liebsten. Widerspenstig räum ich ein: O.k. unentschieden.
Aber dann machen wir morgen ein Entscheidungsspiel. Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier.

Tag 7 [16.07.]

Where is nowhere?

Leere Voliere

Tag 7 [16.07.]

Einkaufen. Das Städtchen ist 18 km weg. Die Fahrt dauert, wenn alles schnell geht und nicht zu viele entgegenkommen, 50 Minuten.
Noch sind wir nicht so richtig sicher, ob wir den Weg zurück in unsere Enklave wirklich finden. Zum Glück haben wir oben am Haus unser Navigationsgerät gebeten, den Standort zu speichern. Jetzt weist es uns an, in 500 Metern rechts abzubiegen. Wie? Das ist doch nicht die Strecke, die wir hergefahren sind. Ja super. Vielleicht gibt es ja eine andere Strecke, die etwas weniger mühsam ist. Freudig biegen wir ab.
Mit jedem Kilometer bröckelt etwas ab vom Optimismus.
Wir erreichen ein Dorf. Fahren ein. Enger und enger die Gassen. Der magere Rest vom Optimismus reicht eigentlich nicht, um weiterzufahren. Nein, lass uns umdrehen. Eh wir uns hier festfahren. O.k., komm, die nächste Kurve noch.
Wir tasten uns um die Kurve herum. 10 cm enger dürfte sie nicht sein. Gut, – vielleicht mit eingeklappten Außenspiegeln.
Es öffnet sich ein Platz. Voller Menschen. Sommerlich fein gekleidet. Zwei von ihnen besonders fein. Lange Tafeln. Lustig klapperndes Essbesteck. Das gutlaunige Gewirr von Stimmen stoppt, schnappt lächelnd nach Luft. Wir auch. Wir stehen mit dem Auto mitten in einer Hochzeitsgesellschaft. Ein freundlicher älterer Herr kommt zu uns. Fragt, wo wir hinmöchten. Wir versuchen zu erklären. Er versucht zu erklären. So richtig sicher sind wir nicht, dass wir einander verstehen. Ein junger Mann kommt hinzu. Er spricht ein bisschen Deutsch. Moment, Leute! Sorry, aber irgendwann muss sich das Geld für den Volkshochschulkurs ja mal amortisieren. Also reden wir munter weiter, was unser Italienisch hergibt. Wir erfahren, – wohlmeinend begleitet von den munteren Blicken der kauenden Gesellschaft – sieht aus, als wären sie gerade bei der Pasta – sieht lecker aus – dass dieses Sträßchen tatsächlich dahin führt, wo wir hinwollen. Dass es aber nicht asphaltiert ist und wohl auch zu schmal für unser Auto. Aber kein Problem! Stückchen weiter sei noch ein kleiner Platz, da könnten wir drehen.
Dank. Gruß. Um die nächste Kurve. Drehen. Zurück. Noch einmal mitten durch die Hochzeitsgesellschaft, die uns munter hinterherwinkt. Wir lassen es uns nicht nehmen zum Abschied ebenso munter italienisch zu hupen. Man lernt ja in so einem Kurs nicht nur die Sprache!